Die Ausstellung La Escucha oder die Winde wurde im Norden Argentiniens, in einem Teil des Gran Chaco entwickelt. Sie vereint Aktivist*innen, Forscher*innen, Kunsthandwerker*innen, Künstler*innen und Vermittler*innen, um Wissen und Praktiken auszutauschen und Prozessen der Dekolonisierung Raum zu geben. Textilien, Keramiken, Zeichnungen, Soundscapes und Videoinstallationen sind für den neuen Programmschwerpunkt Umwelt im Rahmen des Ausstellungs- und Vermittlungsprojektes Untie to Tie der ifa-Galerie Berlin entstanden. 

Der Gran Chaco, wie er heute von einem Großteil seiner Bewohner*innen genannt wird, erstreckt sich über eine Fläche von mehr als einer Million Quadratkilometern. Er umfasst einen Teil Nordargentiniens, Südostboliviens, Westparaguays und Teile Südwestbrasiliens. Die Region widersetzt sich bis heute, in Grenzen zerteilt zu werden und leistet so einen leisen Widerstand. In der argentinischen Chaco-Region wurden kleine Städte in der Nähe von Erdöl- und Erdgasförderanlagen errichtet, wodurch die ortsansässigen pueblos originarios vertrieben und ihre Präsenz und Rechte lange Zeit verleugnet wurden. Die kapitalistische Kolonisierungs- und Produktionsweise zerstörte das einheimische Waldland; es gelang ihr aber nicht, andere Formen des Verständnisses von Leben und Natur, die von den Gemeinden verteidigt werden, zum Verschwinden zu bringen. Der Nachhall dieser Erinnerung wird immer noch von dem Wind getragen, den viele Menschen zu hören und zu übersetzen wissen. 

Die Kuratorin Andrea Fernández lebt in Tartagal, einer Stadt unweit des Dreiländerecks von Argentinien, Bolivien und Paraguay, wo sie seit fünf Jahren mit indigenen Frauen zu weitergegebenem Wissen arbeitet und den Aufbau der territorialen und kulturellen Selbstverwaltung begleitet. Dabei verknüpft sie künstlerische Praktiken mit Projekten der sozialen Ökonomie. 

Dieser Prozess und die gemeinsamen Aktionen stellen das ‚Zuhören‘ als eine notwendige, dringende Handlung in den Vordergrund. In kleinen Gesten manifestiert sich das kollektive Gedächtnis, um die Zukunft zu denken und zu gestalten.

Mit:

Das Gemeinschaftsradio La Voz Indígena (Die indigene Stimme) der Stadt Tartagal ist ein von Frauen geleitetes Kollektiv, das für die Verteidigung des Territoriums und der Kosmogonien der Ahnen kämpft. Ein Teil des Archivs wird in Dialog mit Mariana Ortega, einer feministischen Aktivistin und Lehrerin aus der Stadt Tartagal, die das Radiokollektiv seit mehreren Jahren begleitet, zusammengestellt. Der Prozess wurde unterstützt von der Filmemacherin Daniela Seggiaro und der Komponistin Cecilia Castro. Ihre audiovisuellen Stücke aus gemeinsam ausgewählten Fragmenten vermitteln das mehr als zwei Jahrzehnte umspannende Archiv.

Das Kollektiv Orembiapo Maipora der Chané-Keramikerinnen Lilia López, Felisa Ruiz, Claudia Sánchez, Gabriela Orio, Vicenta Ovando, Alicia Saravia, Sandra Saravia und Ester López wird von der Künstlerin und Keramikdozentin Florencia Califano begleitet.

Der von der Frauenorganisation ARETEDE ins Leben gerufene Taller de Memoria Étnica (Ethnic Memory Workshop) hat die Oral History eines Toba- Anführers untersucht, der den Widerstand gegen die Besatzung dieser Region anführte. Student*innen des Instituto Terciario Nº 6029 Tartagal bringen diese aus der offiziellen Erzählung ausgeklammerte Geschichte zur Aufführung. Der Regisseur Brayan Sticks begleitete sie und drehte einen Dokumentarfilm über diese Recherche.

Die Wichí-Weberinnen aus dem Kollektiv Thañí, Anabel Luna, Miriam Pérez, Ana López, Estela Saavedra, Mariela Pérez, Isolina Pérez, Martina Arias, Graciela López, Erlinda Acevedo, Claudia Alarcón, Lilia Lucas, Ercilia Acevedo, Leila Lescano, Rosa Quiroga, Irene Acevedo und Clementina Pérez, fertigten Textilarbeiten im Austausch mit dem Künstler Guido Yannitto.

La Escucha oder die Winde zeigt auch eine Textilarbeit des Künstlers Carlos ‚Pajita‘ García Bes, der sich im 20. Jahrhundert mit dem Wissen der Vorfahren und ihrer Weitergabe von Legenden und Ritualen beschäftigte.

La Escucha oder die Winde © Victoria Tomaschko