© ifa-Galerie Berlin

Mit:

Tania Bruguera
Luis Gómez
Ouisqueya Henriquez
Ernesto Leal
Manuel Piña

Die Ausstellung „No Place“ zeigt Arbeiten von fünf international renommierten kubanischen Künstlerinnen und Künstlern: Tania Bruguera, Luis Gómez, Ouisqueya Henriquez, Ernesto Leal und Manuel Piña. Sie arbeiten mit Fotografie, Video, Installationen und Performances.

Die Ausstellung wurde von der kubanischen Kuratorin Magda Gonzalez-Mora und Beate Eckstein von der ifa-Galerie Bonn konzipiert und wurde bereits dort und in der ifa-Galerie Stuttgart gezeigt. Magda Gonzales-Mora ist Kuratorin der Biennale von Havanna, einem bedeutenden internationalen Kunstereignis, das sich als kultureller Mittler zwischen Europa, Afrika und Amerika versteht.

Der Titel der Ausstellung „No Place“ bezieht sich einerseits auf die gleichnamige Videotrilogie von Luis Gómez, die sich mit spezifischen Phänomenen der Wahrnehmung und Kommunikation befasst, andererseits spielt er auf das Begriffspaar „Ort“ und „Nicht-Ort“ an, das der französische Ethnologe Marc Augé in seiner „Ethnologie der Einsamkeit“ geprägt hat. Ein „Ort“ sei durch Identität, Relation und Geschichte gekennzeichnet, dagegen ein „Nicht-Ort“ besitze weder Identität, Relation noch Geschichte. Doch beide bedingen einander. Den vertrauten „Orten“ stehen anonyme und uniforme „Nicht-Orte“ gegenüber.

Magda González-Mora hat in enger Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen, Künstlern und der ifa-Galerie Bonn ein Konzept für die ifa-Ausstellungsreihe „Nationalität / Identität“ entwickelt, das die ironisch-kritische Auseinandersetzung mit der „kubanischen Identität“ zeigt, die von Zuneigung und Abneigung, von „Ort“ und „Nicht-Ort“ geprägt ist. Kuba bietet in vielerlei Hinsicht eine Projektionsfläche für die unterschiedlichsten Klischees, zwischen „realexistierender“ Sozialutopie und Tourismusidylle mit den dazugehörigen Schattenseiten wie immensen wirtschaftlichen Problemen, Migration und Prostitution. Die fünf ausgewählten künstlerischen Positionen reflektieren die Ambivalenz eines Lebens zwischen Utopie und Wirklichkeit, Hoffnung und Enttäuschung, Illusion und alltäglicher Mühsal. Die Ausstellung zeigt aber auch, dass die Themen und Probleme, mit denen sich die Künstler auseinandersetzen, über einen lokalen Bezug hinaus universelle Gültigkeit und Aktualität haben.

Durch die künstlerische Intervention von Ernesto Leal (geb. 1971) wird die ifa-Galerie Berlin zu einem besonderen Territorium, das der Besucher nur mit einer Akkreditierungskarte betreten darf. Derartige Ausweise erheben den Inhaber für gewöhnlich in eine privilegierte Stellung. Leal jedoch stigmatisiert den Besucher als einen Verdächtigen, der aus einem nicht durchschaubaren Grund in diese Situation gerät. Er sagte selbst: „Mich interessiert, den Zustand der Verdächtigkeit herbeizuführen, der entsteht, wenn einzelne Personen gesellschaftlich als fragwürdig dargestellt werden, nur auf Grund ihrer Erscheinung, ihrer Worte oder ihrer Herkunft.“

Andere Arbeiten dokumentieren eigenartige „Nicht-Orte“ wie ein (tatsächlich existierendes) Astronautenmuseum, das Leal mit der Alltagswelt Kubas konfrontiert. Anspruch und Wirklichkeit bilden einen diametralen Gegensatz. Leal treibt das in einer weiteren Videoarbeit ironisch auf die Spitze, indem er sich ein kleines Raumschiff bastelt, das er virtuell und geräuschvoll durch seine Wohnung kreisen lässt.

Die Fotoserie „Marcas“ (Zeichen) von Manuel Piña (1958), die ein verlassenes Militärgelände auf Kuba zeigt, macht auf den ersten Blick einen erschreckend tristen Eindruck und ohne zu wissen, was und wo das ist, spürt der Betrachter die Verlassenheit und Missbrauchtheit des Ortes, erst mit der Zeit kristallisiert sich die Landschaft als ein Ort der Ruhe und der Einsamkeit heraus.

Luis Gómez (geb. 1968) Videoinstallation „No Place II“ ist der zweite Teil einer Videotrilogie, die sich mit Phänomenen der Wahrnehmung, der Illusion und auch der Schönheit auseinandersetzt. Luis Gömez hat eine Nacht lang den Vollmond über Kuba mit einer Videokamera aufgenommen, dann dieses Band auf eine Dauer von zwei Stunden geschnitten. Das Bild des Mondes wird nun auf einer Projektionsfläche wieder auf die Wand zurückgeworfen. Groß und still erscheint das Abbild des Mondes – wiederum ein „Nicht-Ort“ – der, so der Künstler: „zugleich ein Ort der Phantasie, der geheimen Wünsche und Träume ist. Ein Ort der Sehnsucht und Utopie, der nicht zu greifen ist, aber das Überleben ermöglicht.“

Einem typischen Phänomen der Mangelgesellschaft ist die Arbeit von Ouisqueya Henriquez (geb. 1966) entsprungen. Es besteht darin, dass alle vorhandenen Gegenstände dahingehend geprüft werden, ob aus ihnen nicht noch etwas anderes – zur Zeit nicht vorhandenes – gemacht werden könnte. So fertigt sie mit Ironie und lustbetont aus einer Vielzahl von Sportbällen die verschiedensten „nützlichen“ und weniger nützlichen Objekte, wie Eierbecher, Nadelkissen, Schirmständer, Blumenvase oder auch einfach nur dekorative Objekte.

Ganz anders dagegen Tania Bruguera (geb. 1968), die nicht erst seit der Teilnahme an der (d)OCUMENTA 11 zu den international angesehensten Künstlerinnen ihrer Generation zählt. Arbeitete sie bisher in ihren Performances in schonungsloser und drastischer Art und Weise mit dem Körper, so zeigt sie in dieser Ausstellung eine dreiteilige Videoarbeit, die durch ihre eindrucksvolle, minimalistische Inszenierung ein Sinnbild für die psychische Befindlichkeit der kubanischen Gesellschaft unter den gegenwärtigen politische, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen ist. Die Künstlerin verlangt dem Besucher Zeit ab, ein schneller Blick genügt nicht. Erst wenn der Betrachter selbst zur Ruhe gekommen ist, entfaltet sich die Wirkung. Es ist eine ihrer intensivsten und eindringlichsten Arbeiten, die sie bisher geschaffen hat.

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