Mit Vivian Caccuri, Jace Clayton, Geraldine Juárez, Christine Sun Kim, Julio César Morales mit Discos Unicornio

Kuratiert von Bhavisha Panchia

Musik wird in spezifischen kulturellen Kontexten produziert und bildet eine wichtige Grundlage für die Entstehung persönlicher und kollektiver Identitäten. Sie stellt symbolische Verbindungen zu Orten und Kulturen her und hilft, Migrations- und Vertreibungsgeschichten zu bewahren, seien es jene der alten Imperien, der kolonialen Regime oder der neuen globalen kapitalistischen Unterfangen. Sie beschwört Erzählungen aus ferner Vergangenheit herauf, lässt verloren gegangene Stimmen wieder aufleben und hat die Kraft, eine virtuelle Zukunft zu imaginieren. Musikalische Werke sind Zeugnisse der Bewegung von Menschen, des Wissensaustauschs und wirtschaftlicher Veränderungen. Sie sind Ausdruck widerständiger Aktivitäten und fungieren als Mittel, Räume und Systeme neu auszuloten.

Die Ausstellung For the Record präsentiert Künstler*innen, die Musik als diskursiven Raum verstehen, innerhalb dessen eigene Erfahrungen artikuliert und gesellschaftliche Verhältnisse unter den fortdauernden kolonialen, imperialen und kapitalistischen Bedingungen behandelt werden.

Jace Claytons interdisziplinäres Projekt Sufi Plug Ins, das Musiksoftware zur Verfügung stellt, die auf nicht-westlichen Musikkonzepten basiert, interveniert in bestehende, westlich orientierte Tendenzen der Musikproduktion. 

Geraldine Juárez setzt sich in ihrer Arbeit vorrangig mit Medientechnologien und deren Rolle in der Konstruktion dominanter epistemischer und ökonomischer Narrative auseinander. Für die Schallplatte Wealth Transfer übertrug sie das Muster von Kursschwankungen an der Börse in musikalische Wellenformen, um so auf den Hochfrequenzhandel und die Abstraktion des Welthandels aufmerksam zu machen. 

Anhand von Installation und Performance analysiert Vivian Caccuri den Einfluss von Sound auf soziale und kulturelle Formationen und zeichnet die Entstehung und Entwicklung der brasilianischen Schallplattenindustrie nach. 

In Julio César Morales’ Videos, Installationen und Musikstücken geht es um die Zusammenhänge von Migration und Schattenwirtschaft, wobei er sich insbesondere auf die Beziehungen zwischen den USA und Mexiko konzentriert. 

Christine Sun Kim fragt in ihrer Arbeit nach der materiellen Beziehung zwischen Klang und Alltag, die beide stark von sozialen Erfahrungen geprägt sind.

Musik spiegelt den Aufbau der Gesellschaft wider, so Jacques Attali, und ermöglicht es, die Welt als Ganzes wahrzunehmen. Doch hierfür sind Aufmerksamkeit und Bewusstsein erforderlich. For the Record widmet sich dem (Zu-)Hören als Akt der Achtsamkeit. Ziel ist es, die Aufmerksamkeit auf vernachlässigte Geschichten und Erfahrungen zu lenken und gleichzeitig neue Denkräume zu schaffen.

Bhavisha Panchia ist Stipendiatin des Programms Curators in Residence der KfW Stiftung in Zusammenarbeit mit dem ifa (Institut für Auslandsbeziehungen). Das Programm bietet vielversprechenden aufstrebenden Nachwuchskurator*innen aus Lateinamerika, Afrika, dem Nahen Osten und Asien die Möglichkeit, drei Monate in Berlin zu verbringen und fördert damit den interkulturellen und diskursiven Austausch in der Ausstellungsorganisation. Ziel ist es, ein kritisches Bewusstsein für postkoloniale Diskurse zu stärken sowie die interkulturelle Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe anzuregen.