Cut & Mix © Victoria Tomaschko

Mit:

Raimond Chaves
Gilda Mantilla
José Carlos Martinat
Enrique Mayorga
Sandra Nakamura
Mario Navarro
Leonardo Portus
Armando Andrade Tudela
David Zink Yi

„Wo ist mein Platz?” fragt sich in ihren Arbeiten nicht nur die in Lima geborene Künstlerin Sandra Nakamura, deren Vorfahren wie viele andere einst aus China und Japan nach Peru ausgewandert sind. Mit Fragen nach Identität und Herkunft – wie zeichnet beispielsweise ein peruanisch-kolumbianisches Künstlerpaar ein Bild von Amerika? – beschäftigt sich die ifa-Ausstellung Cut & Mix in der ifa-Galerie Berlin.

Cut & Mix ist nach Another Country l Eine andere Welt die zweite Ausstellung in der Reihe Kulturtransfers. Sie zeigt Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern aus Santiago de Chile und Lima. Im Mittelpunkt der von Eva-Christina Meier kuratierten Ausstellung steht nicht primär die südamerikanische Herkunft der Arbeiten, sondern eine bestimmte Haltung und künstlerische Methode. Die präsentierten Installationen, Skulpturen, Zeichnungen und Videos kombinieren selbstverständlich unterschiedliche kulturelle Kontexte und Disziplinen miteinander. Dieser produktive Umgang der bildenden Kunst mit „fremdem“ Material ist in vielen Aspekten beispielhaft im Zusammenhang mit einer

Zu den Künstlerinnen und Künstlern:
Armando Andrade Tudela, der nach Aufenthalten in Frankreich und Großbritannien heute in Berlin lebt, zeigt in seiner Diaprojektion Camión / Lastwagen (2004), eine Serie von Lastwagen, die auf den staubigen Landstraßen Perus unterwegs sind. Erst auf den zweiten Blick erkennt man in den Firmenlogos auf den Lkw-Planen handgemalte Zeichnungen mit erstaunlicher Nähe zur abstrakten Malerei der Moderne.

Die Familie der in Lima lebenden Künstlerin Sandra Nakamura emigrierte wie viele andere einst aus China und Japan nach Peru. Studium, Stipendien und Ausstellungen führten Nakamura in die USA, nach Spanien, Deutschland und Japan. „Wo ist mein Platz?“ klingt in einigen ihrer Installationen und Interventionen im öffentlichen Raum als berechtigte Frage mit und meint damit nicht nur sich selbst.

José Carlos Martinat und Enrique Mayorga gehören zu der Generation in Peru, die mit der rasanten Entwicklung neuer Informationstechnologien groß geworden ist. In ihrer interaktiven Installation Inkarrí (2005) verbinden die Künstler auf überraschend selbstverständliche Weise den bekannten Mythos von Inkarrí, dem von den Spaniern enthaupteten Inka-König, mit dem Know-how digitaler Medien.

Das Video von David Zink Yi Dedicated to Yi Yen Wu / Yi Yen Wu gewidmet (2000) verdeutlicht anschaulich die künstlerische Praxis kultureller Aneignung und Bearbeitung. Personen unterschiedlicher Herkunft berichten hier von dem Erleben der viel gerühmten peruanischen Küche, die von den zahlreichen Einflüssen verschiedener Kulturen und deren Essgewohnheiten geprägt ist.

Die chilenischen Künstler Mario Navarro und Leonardo Portus bearbeiteten in ihren Beiträgen für Cut & Mix jeweils historische Ereignisse, die auf unterschiedliche Weise gesellschaftliche Visionen und Utopien in Südamerika widerspiegeln. Navarros Objekt Barba del Diablo / Bart des Teufels (2011) und seine zwei Fotografien Dos Islas / Zwei Inseln (2011) thematisieren das gewaltige Scheitern eines Vorhabens des argentinischen Präsidenten Juan Peron in den 1950er Jahren.

Leonardo Portus rekonstruiert in Transferencia / Übertragung (2010) in fünf Modellen das Gebäude des brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer im Hansaviertel von Berlin und reflektiert damit den Austausch und die Universalität modernistischer Ideen.

Über mehrere Jahre verfolgte das peruanisch/kolumbianische Künstlerpaar Gilda Mantilla und Raimond Chaves ihr Projekt Dibujando América / Amerika zeichnend (2005–2008). In einer modernen Version des historischen Sujets der Reisemalerei hielten sie auf unzähligen Blättern fest, was sie auf ihrem Weg quer durch Lateinamerika sahen und erlebten.

Programm

Freitag, 4. Februar 2011, 17:00
Führung durch die Ausstellung mit Eva-Christina Meier, Sandra Nakamura, José Carlos Martinat und Mario Navarro

Donnerstag, 17. Februar 2011, 19:00
Die Verknüpfung der WeltVortrag zu zeitgenössischer Kunst aus Chile und Peru im Ibero- Amerikanischen Institut begleitet Ausstellung der ifa-Galerie- Berlin.
Vortrag und Diskussion mit Eva-Christina Meier
Die Kuratorin und Kunstkritikerin Eva-Christina Meier spricht am im Ibero-Amerikanischen Institut über Positionen und künstlerische Methoden zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler aus Chile und Peru.
Der Vortrag stellt die an Cut & Mix beteiligten Künstlerinnen und Künstler vor und beleuchtet die Kunstwerke vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Entstehungsbedingungen. Die Verknüpfung der Welt ist Teil der Vortragsreihe Kunst in Bewegung – Transatlantische Verflechtungen zur zeitgenössischen Kunst Lateinamerikas. Sie wird vom Ibero-Amerikanischen Institut und der ifa-Galerie Berlin gemeinsam veranstaltet.

Eine Vortragsreihe der ifa-Galerie Berlin und des Ibero-Amerikanischen Instituts zu aktuellen Themen internationaler zeitgenössischer Kunst.

Dienstag, 12. April 2011, 20:00
Buchvorstellung und Podiumsdiskussion „Konfliktkulturen
Das Verhältnis von Konflikt und Kultur diskutieren Hamed Abdel- Samad, Helena Waldmann, Ronald Grätz und Christoph Bartmann.
Oft gilt Kultur als „Soft Power“, als „weiche“ diplomatische Kraft, die in politischen Zusammenhängen Verständnis zwischen verschiedenen Sichtweisen erzeugen soll. Dabei wird oft vergessen, dass Kulturen auch für Konflikte eine tragende Rolle spielen – beispielsweise bei den revolutionären Ereignissen in Nordafrika und dem Nahen Osten.

Die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Konflikt und Kultur thematisiert der aktuell erschienene Essayband „Konfliktkulturen“ des Goethe-Instituts und des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), der vorgestellt wird. Zahlreiche internationale und deutschsprachige Autoren beleuchten das Thema aus politischer, religiös-philosophischer und künstlerischer Perspektive. So beschäftigt sich der deutsch-ägyptische Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad mit der Frage, ob „Reformkulturen“ in der Geschichte der islamischen Welt fehlen. Die Choreographin und Tanzregisseurin Helena Waldmann warnt vor ästhetischen Erziehungsbemühungen westlicher Künstler in Krisenregionen. Der ungarische Schriftsteller György Dalos beschreibt die Konflikte über literarische Produktion in seiner Heimat, die kanadische Schriftstellerin und Globalisierungskritikerin Naomi Klein fordert eine neue Kultur des zivilgesellschaftlichen Protests und die Reportage der jungen Autorin Anne Köhler reflektiert unseren alltäglichen Umgang mit inneren Konflikten. Weitere Beiträge kommen von Faisal Devji, Alan Mills oder Georg Seeßlen.
Einblicke in die Beiträge und Erkenntnisse des Sammelbands eröffnet eine Podiumsveranstaltung in der ifa-Galerie Berlin. Autoren und Herausgeber diskutieren dort ihr Verständnis von „Konfliktkulturen“ und die Thesen der Essays. Darüber hinaus fragen sie am Beispiel aktueller Entwicklungen in der arabischen Welt nach den Berührungspunkten von Kultur und Konflikt – etwa im Hinblick auf neue kulturelle Ausdrucksformen in Nordafrika oder Perspektiven einer zukünftigen kulturellen Zusammenarbeit mit der Region.

Diskutanten: Hamed-Abdel-Samad, Helena Waldmann, Ronald Grätz und Christoph Bartmann
Moderation: Nikola Richter

Zu dem Buch

„Konfliktkulturen“ begründet eine neue populärwissenschaftliche Buchreihe des Instituts für Auslandsbeziehungen und des Goethe-Instituts. Die halbjährlich erscheinenden Sammelbände greifen kultur- wie gesellschaftspolitische Fragestellungen auf, die für das Verständnis Deutschlands, anderer Kulturen und den Kulturdialog von zentraler Relevanz sind. Herausgeber sind Ronald Grätz, Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), und Hans-Georg Knopp, Generalsekretär des Goethe- Instituts.

Ronald, Grätz, Hans-Georg Knopp (Hg.): Konfliktkulturen. Texte zu Politik, Gesellschaft, Alltag und Kunst, Göttingen: Steidl Verlag, 2011, 192 S. (ISBN 978-3-86930-242-3)

Podiumsgäste
Hamed Abdel-Samad, geboren 1972 in Kairo, lebt als Autor und Islamwissenschaftler in München. Er arbeitete für die UNESCO, am Lehrstuhl für Islamwissenschaft der Universität Erfurt und am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Universität München. Abdel Samad ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz und beschäftigt sich in zahlreichen Veröffentlichungen – zuletzt Mein Abschied vom Himmel (2009) und Der Untergang der islamischen Welt (2010) – mit islamischer Kultur und Gesellschaft. Zuletzt begleitete er vor Ort die revolutionären Ereignisse in seinem Heimatland Ägypten.

Helena Waldmann, geboren 1962 in Burghausen, lebt in Berlin. Sie inszeniert als freie Theaterregisseurin und Choreographin seit 1992 weltweit multimediale Theaterproduktionen. Große Aufmerksamkeit erhielten ihre Stücke Letters From Tentland (2005), das sie in Teheran mit iranischen Schauspielerinnen inszenierte, und BurkaBondage. Die Unesco zeichnete sie 2003 für die Produktion Headhunters aus, die gemeinsam mit brasilianischen Tänzern entstand. Eine Lehrtätigkeit führte Helena Waldmann zudem an die Universität Frankfurt am Main.

Christoph Bartmann ist derzeit Leiter der Abteilung Kultur und Information in der Zentrale des Goethe-Instituts. Nach dem Studium der Germanistik und Geschichte in Düsseldorf und Wien war er DAAD-Lektor in Lissabon und dann für das Goethe-Institut u.a. in Prag, München und Kopenhagen tätig. Ab Juli 2011 wird er das Goethe-Institut New York leiten.

Ronald Grätz, geboren 1958 in São Paulo, studierte Germanistik, katholische Theologie und Philosophie in Tübingen und Frankfurt am Main. Seit 2008 ist er Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen e. V. und Herausgeber der Zeitschrift KULTURAUSTAUSCH. Davor leitete er das Goethe-Institut Portugal.

Nikola Richter (Moderation), geboren 1976 in Bremen, arbeitet als freie Redakteurin in Berlin. Sie konzipiert Bücher und Weblogs, etwa theatertreffenblog.de und superdemokraticos.com. Von 2001 bis 2003 leitete sie ein Onlinemagazin für Literatur und arbeitete von 2005 bis 2008 in der Redaktion der Zeitschrift KULTURAUSTAUSCH.

Freitag, 15. April, um 17:00
Kulturtransfer: TransferkulturAusstellungsgespräch und Projektpräsentation
Im Begleitprogramm der aktuellen Ausstellung Cut & Mix – Kulturelle Aneignung und künstlerische Behauptung. Zeitgenössische Kunst aus Chile und Peru lädt die ifa-Galerie Berlin zu einer Führung durch die Ausstellung mit anschließendem Ausstellungsgespräch. Interessierte erhalten dabei Einblick in das Kunstvermittlungsprogramm zur Reihe Kulturtransfers, bei dem die ifa-Galerie Berlin gemeinsam mit Teilnehmern des Jugendmigrationsdienstes der Arbeiterwohlfahrt (AWO) die Transfers in der Berliner Alltagskultur künstlerisch untersucht und die Ausstellung so um eine lokale Perspektive erweitert hat.
In der Ausstellung Kulturtransfers #2: Cut & Mix – Kulturelle Aneignung und künstlerische Behauptung. Zeitgenössische Kunst aus Chile und Peru untersuchen Künstlerinnen und Künstler aus Lima und Santiago de Chile verschiedene Formen und Richtungen des wechselseitigen kulturellen Transfers zwischen Peripherie und Zentrum. Sie beleuchten die Kolonialvergangenheit des Subkontinents, begeben sich auf die Spuren der japanischen Einwanderung in Peru, erzählen kulinarisch-biografische Geschichten buchstäblich „über den Kochtopf“ und zeichnen ein überraschendes Profil Südamerikas.

Sonntag, 27. März 2011, 11:00 – 13:00
KinderKunstProgramm – Bewegte Bilder – Ein kreativer Remix mit 1 Inka und X Ingredienzien
Die Welt ist in Bewegung geraten – Menschen überschreiten Grenzen und Kontinente, sie bewegen Waren und Ideen: auf dem Landweg, über Wasser, durch die Luft, und immer mehr durch die unsichtbaren Kanäle des Internets. Auch die Bilder der Ausstellung „Cut & Mix“ sind nicht so bewegungslos, wie man meinen könnte, sondern mobil wie die beteiligten Künstlerinnen und Künstler aus Peru und Chile: Unterwegs fangen sie Motive ein und transportieren sie in andere Welten. Inkakönig, Damenschuh, Ameisenbär und bärtiger Teufel – in der Ausstellung der ifa-Galerie Berlin kreuzen sich ihre Wege. Im KinderKunstProgramm schicken wir Bilder auf die Reise und entwickeln aus ihnen bewegte und bewegende Geschichten. Im Atelier können wir erfahren, dass nicht nur Menschen Bilder bewegen – Bilder bewegen auch Menschen! Für Kinder ab 6 Jahren.

Über das KinderKunstProgramm:
Mit dem KinderKunstProgramm lädt die ifa-Galerie Berlin Kinder ab 6 Jahren ein, sich auf spielerische und kreative Weise Ausstellungen von Kunst, Design und Architektur aus anderen Kulturen anzunähern. Mit Kinderführungen, kreativen Erforschungen und künstlerischem Gestalten bauen wir Brücken zwischen den Kunstwerken der Ausstellung aus aller Welt und der Lebenswirklichkeit der jungen Besucherinnen und Besuchern. Im „Atelier“ experimentieren wir mit verschiedenen künstlerischen Techniken und Materialien und bieten Raum für Wahrnehmung, eigenen Ausdruck und lebendigen Kulturaustausch.

© ifa-Galerie