Der Passant, vom Leben vielleicht ein wenig gebeutelt, betritt die Galerie: In nicht schärfer zu denkendem Gegensatz zum täglichen Horror findet findet er sich einer rauschhaften Feier menschlicher Existenz gegenüber:

Leuchtendes Rot, Blau und Gelb vibrieren auf der Leinwand, spannungsvoll gegeneinander und mitunter gegen Schwarz gesetzt. Der Mensch erscheint als Naturwesen und ist doch zugleich in den kosmischen Weiten des Universums zu Hause. Er schwebt über Himmelsbrücken im Raum oder steht auf schimmernden Ebenen, über denen eine Sonne mächtig strahlt.

Der Maler läßt seine Geschöpfe auch wie Kometen auf die Erde zurückstürzen oder versperrt ihnen unten mit wuchernden Geweben die Rückkehr. Doch das sind nur Momente der Nichterfüllung in einem Meer der Seligkeit. Die manieristisch überlängerte Figur ist körperlos, aller Erdenschwere ledig und läßt an die spirituellen Astralkörper der Steinerschen Lehre denken.

Hinter der expressiven Malerei scheint die romantische Sehnsucht nach dem selbstverständlichen Einssein des Menschen mit der ihn umgebenden Welt. Im Einführungstext des Katalogs wird gefragt, ob denn der Mensch überhaupt für die Welt geschaffen sei, die kaum noch Natur ist, weil der Mensch ihr gegenübersteht, statt mit ihr zu sein. Letzteres aber ist die Gegenvision, die Frans Widerberg entwickelt, in dem er alle räumlichen und zeitlichen Schranken niederreißt. So wird der Mensch bei ihm zwar verwundbar und kann deswegen doch triumphieren.

Widerberg gehört in seiner nordischen Heimat zu den bekannten Künstlern. Nach dem 1963 beendeten Studium an der Osloer Akademie trat trat er zunächst als Grafiker hervor und besonders mit Holzschnitten, die als Literaturillustrationen entstanden sind.Die romantische Prägung des Künstlers sprach sprach sich in diesen Arbeiten bereits aus. Die in der Ausstellung gezeigten Bilder stammen aus dem vergangenen Jahrzehnt, doch reicht die Konzentration auf die Primärfarbe, auf der sie basieren, bereits in die zweite Hälfte der 60er Jahre zurück.

Widerberg gehört zu den Künstlern, die früh ihren Weg gefunden haben und diesen dann nur ausgestalten müssen. Auch das Ethos seiner Kunst, der seherische Anspruch, von dem sie getragen wird, läßt sich von den Aufbrüchen der spätsechziger Jahre her verstehen. Die damals gefundene neue Sensibilität dem Körper gegenüber, dem anderen Geschlecht, der Natur überhaupt, spricht bis heute von den Bildern herunter.

Text: Berliner Zeitung, Nr. 221, 23.09.1991/ Andreas Quappe