Moshekwa Langa © Victoria Tomaschko

Wirklichkeit und Fiktion, Vergangenheit und Zukunft, Süd und Nord – Moshekwa Langa ist ein Wanderer zwischen den Welten. In seinen Arbeiten verwebt der südafrikanische Künstler unterschiedliche Materialien, Wertesysteme, kulturelle Bezugspunkte und Motive. Die ifa-Galerie Berlin zeigt nun in der Ausstellungsreihe Solo für… seine eigens entwickelte Installation Der eifersüchtige Liebhaber. Sie beschreibt die Hoffnung auf ein besseres Leben in der Großstadt, die wie die Eifersucht Menschen weltweit „ergreift, fesselt und nicht mehr loslässt“. In der Ausstellungsreihe  Solo für… werden Künstlerinnen und Künstler präsentiert, die bereits zu Beginn ihrer internationalen Karriere in den ifa-Galerien ausgestellt haben. Moshekwa Langa war 2000 in der Ausstellung Blickwechsel – Afrikanische Videokunst in den ifa-Galerien vertreten.

Moshekwa Langa (*1975 in Bakenberg/ Südafrika) verwendet in seinen Arbeiten vielfach spröde Materialien, Verpackungen, Kartons, Fundstücke, Garnrollen und Bindfäden. unterschiedliche europäische und südafrikanische Themen, Motive und Elemente zu Installationen, Arbeiten auf Papier, Fotografien und Videos fügen sich zu komplexem Assemblagen zusammen. Diese vielschichtigen visuellen und zuweilen sprachlichen Netze veranschaulichen politische Entwicklungen und persönliche Erinnerungen des Künstlers zwischen seiner Kindheit unter dem Apartheid-Regime und dem Exil in den Niederlanden. Alles ist mit allem verbunden, es gibt keine linearen Entwicklungen, die Linien mäandern und treffen sich an verschiedenen Knotenpunkten.

In der neuen Installation Der eifersüchtige Liebhaber setzt Moshekwa Langa sich mit dem Sog, den Städte auf die Menschen ausüben, auseinander. Die Sehnsucht nach einem besseren Leben in den Metropolen – verbunden mit der Aufgabe von Traditionen und Beziehungen – steht beispielhaft für die Erfahrungen des Menschen in der globalisierten und digitalisierten Welt; für Orientierungsschwierigkeiten ebenso wie für die Faszination an der Vernetzung. Darüber hinaus zeigt die Ausstellung Zeichnungen und Gouachen Moshekwa Langas. Aus historischen, politischen, wissenschaftlichen, poetischen und privaten Elementen, aus Bildern und Worten verschiedener Kulturen konstruiert er fiktive Landkarten und Mindmaps, die interkulturelle Erfahrungen und Navigationsprobleme in einer kaum mehr überschaubaren Wirklichkeit widerspiegeln.

Programm

Freitag, 11. Juli 2014, 16:00
Führung durch die Ausstellung mit Moshekwa Langa

Donnerstag, 17. Juli 2014, 19:00
The Future in the Contemporary – Potential and Challenges in International Art Exchange
Einführung von Elke aus dem Moore, Leiterin der Abteilung Kunst des ifa, Institut für Auslandsbeziehungen.

Into the Darkness – Black Subjectivities and Alternative Knowledge Production
Vortrag von Sinethemba Twalo, Künstler, Autor, DJ aus Johannesburg, derzeit Stipendiat der Akademie Schloss Solitude.

Sonntag, 14. September 2014, 11:00 – 13:30
KinderKunstProgrammKartografien des Zwischenraums #2: LEGENDEN
mit Annika Niemann und Ev Fischer, ab 6 Jahren

Als Schüler hatte der junge Moshekwa Langa die Aufgabe, seinen Heimatort im Schulatlas zu zeigen – und stellte fest, dass Bakenberg auf der Landkarte Südafrikas fehlte. Hieß das nicht, dass es das Dorf offiziell gar nicht gab? Dass er selbst, der er in diesem „Nicht-Ort“ geboren war, und all die Menschen, die dort ihren Alltag lebten, nicht existierten? Und er überlegte weiter: Kann man Karten überhaupt trauen? Landkarten sind kein Spiegelbild der Außenwelt. Sie legen fest, lassen aus, sie wählen einen Maßstab für Dinge, die sich nicht immer messen lassen – und erschaffen so eine eigene Wirklichkeit. Der Künstler Moshekwa Langa entschloss sich, selbst Karten für die Orte anzufertigen, die ihm wichtig sind. Anstelle von Grenzen, Straßen, Flüssen finden sich auf seinen Kartenbildern die Namen der Menschen, die Erlebnisse, die Gerüche oder Farben, die einen Ort für ihn ausmachen. Zuweilen verlassen seine Kartografien dabei das Papier: aus Bällen und Kisten und Rohren, Reifen und Hüten hat der Künstler ein kleines Universum in der ifa-Galerie aufgebaut.

Im KinderKunstProgramm entwerfen wir eine eigene Kartenlegende für Moshekwa Langas Rauminstallation – und gestalten im Atelier eine raumgreifende Kartenlandschaft unserer persönlichen Nicht-Orte: Orte, die auf dem Berliner Stadtplan fehlen, Orte aus unseren Gedanken, unseren Wünschen und Träumen.

Donnerstag, 18. September, 19:00
Re_Mapping: Landkarten der Dislokation
Zur Ausstellung Solo für… Moshekwa Langa – Der eifersüchtige Liebhaber
Ausstellungsgespräch mit Annika Niemann

Was auf Karten erscheint, so suggerieren uns Atlas, Faltplan oder Google Maps, ist wahr. Wir nutzen Karten, um uns zu orientieren, zu navigieren und uns ein Bild der Welt zu machen – mit den entsprechenden Verzerrungen, Auslassungen und Festschreibungen. Dabei prägen Karten nicht nur unsere Vorstellungen der Welt: Sie bringen diese Welt erst mit hervor.

Den Künstler Moshekwa Langa beschäftigen die Grenzen und Möglichkeiten der Kartografie seit seiner frühen Jugend: Als Schüler war er mit der Aufgabe konfrontiert, seinen Heimatort auf der Landkarte Südafrikas zu zeigen – und musste feststellen, dass das kleine Dorf Bakenberg im Schulatlas nicht verzeichnet war. „It was almost as if not only myself but a whole group of people had been written out of history, as if their existence was negligible to the world around them“, reflektiert Langa diese Erfahrung heute.

Der Prozess des Kartierens war schon immer verbunden mit der gewaltsamen Aneignung von Raum. Ob die Erfindung und Markierung von Grenzverläufen, die Verzeichnung ausbeutbarer Rohstofflager oder als „weiße Flecken“ auf der Landkarte, die den Entdecker. und Besetzerdrang westlicher Kolonisatoren anstachelte – Kartografien sind eng mit Kolonialgeschichte verwoben, und ihre gewaltvollen Folgen sind bis heute wirksam.

Moshekwa Langa hat für die ifa-Galerien Berlin und Stuttgart eine raumgreifende Landkarte der Dislokation entwickelt, die diese Folgen in den Blick nimmt: Die Installation Der Gesang der Sirenen erzählt von Binnenmigration, von Landflucht und dem Leben in den Megacities, von Sehnsucht und Verlust. Zugleich entfaltet er einen erzählerischen Gestus, der mit einer Fülle von Materialien, Formaten und Gegenständen spielt und der das Publikum einlädt, zwischen Bällen, Boxen, Säulen und Hüten eigene Assoziationsfäden zu spinnen.

Im Ausstellungsgespräch wollen wir die Fäden dieser Erzählung aufnehmen und ihre Verwickelungen und Knotenpunkte mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen im lokalen Kontext diskutieren. In Resonanz auf die Installation entsteht im Verlauf des Abends eine eigene Legende – ein Re-Mapping der Solo-Ausstellung in der ifa-Galerie Berlin.

von außen nach drinnenStadtspaziergänge mit Elfi Müller
eine Veranstaltungsreihe zur Ausstellung Solo für… Moshekwa Langa – Der eifersüchtige Liebhaber.

Die Veranstaltungsreihe von außen nach drinnen beschäftigt sich mit unterschiedlichen Erfahrungswelten im urbanen Raum der Stadt Berlin.

Sonntag, 31. August 2014, 12:00
Der erste Spaziergang führt durch das Afrikanische Viertel. Yonas Endrias, Koordinator des Projekts Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel gibt einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Projekts. Mnyaka Sururu Mboro wird uns durch das Afrikanische Viertel führen. Anschließend wird Elfi Müller den Kontext zum urbanen Raum des Afrikanischen Viertels schaffen, der seine Wurzeln im Siedlungsbau der Berliner Moderne hat. Namhafte Architekten wie Mies van der Rohe und Bruno Taut heben hier gebaut.

Sonntag, 07. September 2014, 12:00
Der zweite Stadtspaziergang führt nach Klein Glienicke. Von der Weißen Villa, einem palastähnlichen Gebäude im spätklassizistischen Stil, das in eine von Peter und Joseph Lenné gestaltete Parklandschaft eingebettet ist, geht es zum Jagdschloss Glienicke. Vorbei an der Kapelle von Klein Glienicke begeben wir uns in eine alpine Landschaft nach Schweizer Vorbild. Eine Einführung in die Entstehungsgeschichte der Schweizer Häuser vertieft den Kontext zwischen der Landschaft und diesen Baukörpern. In ihrer Lage und Anordnung sind sie einzigartig in der Geschichte der Bau- und Gartenkunst und gehören als Teil der Schlösser und Parks von Potsdam und Berlin zum UNESCO- Welterbe. Auf der Kuppe des Böttcherbergs besichtigen wir die Loggia Alexandra, die Prinz Carl von Preußen zum Andenken an seine Schwester Alexandra, die Frau des russischen Zaren Nikolaus I., errichten ließ. Nach dem Abstieg, der gesäumt ist von alten Felsterrassen, werfen wir noch einen Blick auf das Schloss Babelsberg und beenden damit den zweiten Stadtspaziergang.

Sonntag, 21. September 2014, 12:00
Der dritte Stadtspaziergang in dieser Reihe führt ins Stadtquartier Mitte. Anlässlich der BERLIN ART WEEK werden dort künstlerische Arbeiten an außergewöhnlichen Orten präsentiert, die keine spezifischen Ausstellungsorte sind. Das Spiel mit der alltäglichen Nutzung und Wertung von Räumen und Orten dient der Auseinandersetzung von Kunst und Raum, von Kunstraum und urbanem Raum. Der Rundgang beginnt im Atelier von Frank Lindenberg, der seine Arbeit mit dem Titel Du bist verrückt mein Kind, du musst nach Berlin…! vorstellt. „Das sagte Tante Gertrud immer damals in Brandenburg – eine Dokumentation einer Straßenszene um die Jahrhundertwende“, schreibt der Künstler zu seinem Projekt. Weiter geht es zu der Künstlerin Yenatfenta  Abate. Sie stellt den Kontext zum urbanen Raum mit einer Werkgruppe von Zeichnungen und Skulpturen unter dem Titel Einen Augenblick! her. communicating ist der Titel der Arbeit von Marcel Prüfert. „Das Flanieren durch die Straßen, Unvorhergesehenes vermischt sich im Kopf und akkumuliert sich in einer Telefonzelle“, so der Künstler. Die partizipative Aktion empathiesofa von Naldo Gruden macht die Spaziergänger:innen zu Akteuren: „In einem stillen Wahrnehmungs-Experiment erfahren die Teilnehmer:innen den Kontext vom Selbst zur Umgebung.“ Abschließend gibt Rainer Görß einen Einblick in das Untergrundmuseum U144. Der Rundgang endet in der ifa-Galerie Berlin mit einer kurzen Einführung von Barbara Barsch in die Ausstellung Solo für… Moshekwa Langa – Der eifersüchtige Liebhaber.

Elfi Müller ist Künstlerin und studierte an der Universität der Künste Berlin Kunst im Kontext, Kunstvermittlung und Pädagogik sowie Kunst im öffentlichen Raum. Seit Sommer 2012 konzipiert und leitet sie in Zusammenarbeit mit der ifa-Galerie Berlin die Veranstaltungsreihe Stadtspaziergänge mit Elfi Müller.

© ifa-Galerie