Ineinander geschobene Winkel, kristalline Formen und ein Garten, der bis in den Innenraum geht – der Architekt Chen Kuen Lee gestaltete außergewöhnliche Wohnhäuser, die sich durch ihre aufgesprengte Gestalt, die Verzahnung von Innen- und Außenraum sowie durch die landschaftsplanerische Gestaltung mit Hermann Mattern, Adolf und Hannes Haag auszeichnen. Lee gehörte zur Avantgarde der Nachkriegsarchitektur in Deutschland; vermittelt durch seine Forschung und Tätigkeit mit Hans Poelzig, Hugo Häring und vor allem Hans Scharoun knüpfte er nicht nur an die Konzepte des Neuen Bauens an, sondern entwickelte diese in einem eigenständigen Werk weiter, in dem fernöstliche Philosophie auf Konzepte der europäischen Moderne traf.
Die Ausstellung konzentriert sich auf Wohnarchitektur: Unterschiedliche Planungsaufgaben prägen die 20 ausgewählten Gebäude, welche zu verschiedenen Wohnbautypen gehören. Während Lee seit Anfang der 1950er-Jahre ein Büro in Stuttgart unterhielt und sich einen Namen als Villenarchitekt in Süddeutschland machte, sind die Bauten, die er im Märkischen Viertel in Berlin errichtete, für den Massenwohnungsbau ausgelegt. Das Märkische Viertel gehört seit Ende der 1960er-Jahre zu einem der umstrittensten Siedlungsbauprojekte in Deutschland, für das Lee eine Wohnanlage mit 1240 Wohnungen entwarf und realisierte.
Lee, geboren 1915 in Wuxing/ China, gestorben 2003 in Berlin, wirkte auch theoretisch durch seine Schriften, die Bau- und Lehrtätigkeit der späten Jahre in Taiwan sowie durch die Gründung des deutsch-chinesischen Werkbundes, den er mit Häring und Scharoun plante und damit einen Kulturtransfer par excellence initiierte.
Programm
Freitag, 22. Januar 2016, 16:00
Kuratorengespräch mit Prof. Michael Koch, dem ehemaligen Mitarbeiter Lees und Kurator der Ausstellung und Co-Kuratorin Dr. Valérie Hammerbacher
Donnerstag, 11. Februar 2016, 19:00
Dekonstruierte Tradition: Chen Kuen Lee und das Neue Bauen – Ein interkultureller Dialog. Vortrag und Gespräch mit Dr. Eduard Kögel, Architekturhistoriker und Publizist
Als Chen Kuen Lee Anfang der 1930er–Jahre in Berlin Architektur studierte, traf er auf Ernst Boerschmann, Honorarprofessor für Ostasiatische Baukunst an der Technischen Hochschule in Berlin. Er wurde sein Assistent und arbeitete über Jahre an einer Dissertation zum traditionellen Urbanismus in China. In einem interkulturellen Dialog verhandelte er den Begriff der Landschaft auf unterschiedlichen Ebenen: die Topographie, das Dach, die Integration von Garten und Bauwerk sowie der „Schachtelraum“.
Donnerstag, 18. Februar 2016, 19:00
Hans Scharoun und Chen Kuen Lee: Organische Architektur im Dialog. Vortrag und Gespräch mit Dr. Eva-Maria Barkhofen, Leiterin Baukunstarchiv, Akademie der Künste Berlin
Chen Kuen Lee erhielt schon früh über Hans Scharoun das Ideenpotential des „organischen Bauens“ vermittelt. Lee entwickelte seine Architekturentwürfe auf dieser Grundlage stets individuell auf die Bedürfnisse der Bewohner hin, und konzipierte die Bauten als homogene Einheit innerhalb der umgebenden Landschaft.
Sonntag, 21. Februar 2016, 11:00 – 13.30
Kunstvermittlung – Dachlandschaften
Ob Flachdach oder Satteldach, Flugdach oder Fußwalmdach: Dächer trennen das Innen und Außen und bieten Schutz vor Sonne, Wind und Regen. Der Architekt Chen Kuen Lee hat in seinen Wohnhäusern mit unterschiedlichen Dachtypen experimentiert und sie wie eine Skulptur geformt. Im Workshop erkunden wir neue Möglichkeiten, den Raum zwischen Himmel und Erde zu gestalten und falten und entfalten im Galerieraum eine schwebende Dachlandschaft.
Offenes Atelier für Kinder und Jugendliche ab 8 Jahren.
Sonntag, 6. März 2016, 14:00 – 16:00
Wohnen in großer Gemeinschaft: Chen Kuen Lees Wohnhäuser im Märkischen Viertel. Exkursion mit Dr. Eduard Kögel, Architekturhistoriker und Publizist
Chen Kuen Lee entwarf in den 1960er-Jahren über 1200 Wohneinheiten im Märkischen Viertel in Berlin. Einige seiner Kollegen hatten wie er zuvor bei Hans Scharoun gearbeitet und zusammen versuchten sie dort die Ideen einer Stadtlandschaft umzusetzen. Bis heute lässt sich deshalb die avantgardistische Stadtidee im Kontext der Gesamtgestaltung zeigen.
Die Wohnsiedlung geriet bereits während des Baus in die Kritik, was Lee nicht davon abhielt hier seinen Lebensabend zu verbringen. Bei einem Rundgang können die Teilnehmenden vor Ort einen Eindruck über Stadt- und Landschaftsidee gewinnen.