Die beiden Künstler heißen mit vollem Namen Eduardo Ponjuán und René Francisco Rodriguez und arbeiten seit 1986 im Duo sozusagen vierhändig.
Vor fast genau fünf Jahren belagerten Tausende von Menschen den Dresdner Hauptbahnhof, um auf den aus Prag kommenden Zug voller Botschaftsflüchtlinge aufzuspringen. Heute wiederholt sich dergleichen in Havanna. Hunderte warteten an den Anlegestellen der Hafenfähre darauf, diese zu entern und gen Florida „umzuleiten“. Der Herbst des Patriarchen scheint in den Winter überzugehen.
In diesem Kontext gewinnt die Ausstellung des Institutes für Auslandsbeziehungen „Vuelo an Brisanz. „Vuelo“ bedeutet Flug und klingt in den Ohren vieler Kubaner wie eine Verheißung. Das wissen die beiden Künstler. Sicher haben sie aber schon bei der Wahl des Titels mehr als nur die naheliegendste Interpretation im Sinn gehabt. Sie verstehen darunter auch den Flug als Utopie der Kunst schlechthin, zu der sie sich bekennen, die sie aber zugleich demontieren.
Allerdings ist ein Teil ihrer spitzfindigen Erklärungen als Verbal-Camouflage zu verstehen. An diese Methode mußten sie sich gewöhnen, nachdem sie es 1989 gewagt hatten, in eine ohnehin schon sehr kritische Ausstellung einige nicht gerade schmeichelhafte Bilder des Chefcomandante einzubeziehen.
René Francisco und Ponjuán leben nach wie vor auf Kuba. Das muß so ausdrücklich betont werden, weil von der international hoch gelobten Bewegung junger kubanischer Kunst der achtziger Jahre kaum noch jemand auf der Insel ist. Der größte Exodus kubanischer Künstler seit den dreißiger Jahren vollzieht sich im Zuge einer Massenflucht derjenigen, die irgendeine Chance finden, das Land zu verlassen.
In der Ausstellung „Vuelo“, eine Installation, die eigens für die ifa-Galerie konzipiert und realisiert wurde, zieht das Duo alle Register seiner formalen Erfindungsgabe, die ein Kritiker einmal als postmodernistisches Feuerwerk bezeichnete. Ungeniert eignen Sie sich dabei aus allen Epochen, Strömungen und Kulturkreisen an, was ihnen brauchbar erscheint. Malewitsch ist für sie die Symbolfigur der Utopien der Avantgarde. Sie präsentieren Interpretationen der Bäuerinnenbilder des Russen aus der Perspektive ihrer eigenen Kulturtradition und aus einer Sicht, in der sie die Auflösung des utopischen Gesellschaftsentwurfs in ihrem Land reflektieren. Einen ähnlichen Hintergrund hat die Umdeutung heroischer Lenin- und Arbeiterporträts sozialistisch-realistischer Prägung. Lenins Worte von der Elektrifizierung als Voraussetzung des Kommunismus werden auf die kubanische Realität bezogen. Neben dem Neonschriftzug „Iluminaciones“ erscheinen die aus westlichen Bier- und Colabüchsen gebauten Petroleumlampen, mit denen sich die Kubaner heutzutage bei den zahlreichen Stromabschaltungen behelfen müssen.
Ponjuán und René Francisco personifizieren sich und die Figur des Künstlers häufig in Form antropomorpher Farbtuben. In „Vuelo“ denken sie in einer Fülle von Objekten und Assaemblagen, in denen dieses Element oft auftaucht, über ihre Position und die anderen Künstler ihres Landes in bezug auf den Kunstkontext des ,,Westens“ nach. Da gibt es z.B. einen imaginären Dialog per Bierbüchsen-Telefon , so wie es Kinder früher aus Cremedosen bauten, zwischen Kuba und Joseph Beuys.
Andere Werke sind, ebenso ironisch, dem westlichen Sammler der Kunst der „Dritten Welt“ gewidmet. Dieses Thema hat die beiden gerade in er letzten Zeit sehr beschäftigt. Bei der V. Biennale von Havanna im Mai/Juni dieses Jahres zeigten sie eine Installation mit dem Titel „Traum, Kunst und Markt“. Darin geht es unter anderem um die vor wenigen Jahren entflammte Leidenschaft des deutschen Sammlers Peter Ludwig für kubanische Kunst. Die Arbeit wird demnächst auch in Aachen zu sehen sein, wenn das Ludwig – Forum dort ab 15. September die Biennale von Havanna zeigt. Schon in den Jahren zuvor hat Ludwig mehrere Bilder von René Francisco und Ponjuán angekauft. Eines davon bezog die Kunsthalle Düsseldorf 1992 in die Ausstellung „Art & Kampagne“ ein, wo es neben Werken solcher Berühmtheiten, wie Jeff Koons oder Gerhard Richter, hing.
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