Mit INTERLOOP blickt die ifa-Galerie Berlin zurück auf das Recherche- und Ausstellungsprogramm Untie to Tie – Über koloniale Vermächtnisse und zeitgenössische Gesellschaften. Ein wesentlicher Teil war das umfangreiche Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm, das die vier Ausstellungen begleitete. INTERLOOP gibt Einblick in die Prozesse „hinter den Kulissen“, teilt die Erfahrungen und Erkenntnisse und bringt sie in neue Konstellationen.
to interloop bezeichnet den (textilen) Vorgang des Verknüpfens, des Verschlingens oder Verbindens. Offene Werkstätten, Lese- und Hörstationen und diskursive Zugänge laden dazu ein, die unterschiedlichen Fäden des Themenjahres aufzunehmen und zu neuen Texturen zu verweben. In wöchentlichen Settings aus Praxis und Reflexion kommen Akteur*innen aus unterschiedlichen Kontexten zusammen und erproben nicht-hierarchische, kollektive Formen des Wissenstransfers:
Woche 1 widmet sich dem (Zu)Hören, den Klängen und ihren Resonanzen. Im Fokus steht Sound als subtile, nicht-materielle Form Botschaften zu transferieren, in den öffentlichen Raum zu intervenieren und Erfahrungen zu dokumentieren.
Woche 2 beschäftigt sich mit (Un-)Lesbarkeiten und Gegenlektüren. Im Experiment mit Strategien des Zwischen-den-Zeilen-Lesens, Markierens, Ausradierens und Überschreibens erproben wir den emanzipatorischen Umgang mit dem Wissens-Kanon, der in Schul-und Kinderbüchern vermittelt wird.
Woche 3 des INTERLOOP umkreist den Übergang – vom Körper zum Raum, von der Kunstinstitution in die Stadt, vom Themenjahr Über koloniale Vermächtnisse und zeitgenössische Gesellschaften zum neuen Fokus von Untie to Tie 2018–2019: Bewegung.
Programm
Fr, 27. April 2018, 18 Uhr: Stresspad XXL. Kollektive Sound Performance
Das Stresspad XXL ist ein analoges Soundinstrument, ein „Soundmachding“, das mit dem menschlichen Körper gesteuert wird. Mit Händen, Füßen oder Wangen lässt sich der Stromkreis schließen, sodass der kleine Operationsverstärker im Herzen der Maschine oszilliert, übersteuert und Krach macht. Trotz Steuerung ist es ab einem bestimmten Punkt nicht mehr möglich, die einfache Schaltung zu beherrschen. Die Apparatur macht sich selbstständig. Sie generiert unspezifische Reaktionen des Körpers, performative Gesten, die wieder in den Sound-Kreislauf eingespeist werden.
Zur Eröffnung von INTERLOOP sind die Besucherinnen der ifa-Galerie Berlin eingeladen, mit dem Stresspad zu interagieren, es gemeinsam zu steuern, zu manipulieren und so in den institutionellen Raum akustisch zu intervenieren. Es kann laut werden. ((( Das Stresspad XXL entstand im Rahmen des Vermittlungsprojekts „media resistance – Strategien des Widerstands“ (2017/2018) und wurde von den Soundkünstlern Gregor Pfeffer und Lukas Grundmann mit Schülerinnen des Oberstufenzentrums Mediengestaltung und -technologie gebaut.
Mit freundlicher Unterstützung von:
media resistance (Projektfonds Kulturelle Bildung und Kulturagenten)
Sa, 28. April 2018, 14-17 Uhr: Taking Sides. Offene Zine-Werkstatt zu Solidarität im Widerstand
Zines sind kleine, nicht-kommerzielle und selbstpublizierte Magazine oder Hefte, die nicht viel mehr bedürfen als einer Idee, Papier, Stiften und einem Kopierer. Generationen von jugendkulturellen, künstlerischen und sozialen Bewegungen haben Zines als Raum der Selbstbestimmung und Ermächtigung genutzt und zu Themen wie Feminismus, Körperpolitik, Punk oder Rassismus autonom publiziert.
Ausgehend von einem Blick in die Geschichte des antikolonialen Widerstands haben sich Schülerinnen des OSZ Bekleidung und Mode in einem zweitägigen Workshop mit heutigen Kämpfen gegen Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungsformen beschäftigt. Leitende Fragen waren: Was bedeutet Solidarität? Was bewirkt sie in alltäglichen und organisierten Kämpfen? Wie kann ich mich solidarisch äußern und was für eine Solidarität wünsche ich mir von und mit anderen? Die persönlichen Fragen und Positionierungen wurden in individuelle und kollektive Zines übersetzt. Zum Gallery Weekend am 28. April 2018 teilen die Schülerinnen ihr praktisches Wissen in einer offenen Werkstatt: Besucherinnen der ifa-Galerie Berlin sind eingeladen, eigene Zines für solidarische und widerständige Ideen und Praktiken zu entwickeln. Schülerinnen des OSZ Bekleidung und Mode mit Marlon van Rooyen und Jorinde Splettstößer (Künstlerin/Kunstvermittlerin) im Rahmen des Vermittlungsprojekts „media resistance – Strategien des Widerstands“ (2017/2018)
Mit freundlicher Unterstützung von:
media resistance (Projektfonds Kulturelle Bildung und Kulturagenten)
Do, 3. Mai 2018, 17-20.30 Uhr
17-18.45 Uhr: Klangzeich(n)en – Ein Soundworkshop
Auf der Grundlage spielerischer (Hin-)Hör- und Zeichenübungen wird das Zeichnen als erweitertes Hören erfahren. Ausgangspunkt sind die von Saout Radio (Younes Baba-Ali, Anna Raimondo) für Untie to Tie zusammengestellten Sonic Panoramas: Das Programm erforscht das Universum der Klangkunst, präsentiert unterschiedliche Herangehensweisen und ästhetische Erfahrungen und eröffnet einen Hörraum der Reflexion.
In dem Workshop gehen wir mit den Klängen und Stimmen der Hörstation in Resonanz und antworten auf das Gehörte mit unterschiedlichen Zeichenutensilien.
Mit Rebekka Uhlig (bildende Künstlerin und Stimmperformerin)
Um Anmeldung wird gebeten bis 30. April 2018 an: kunstvermittlung@ifa.de, 030 2844 9140
Ab 19 Uhr: Zwischen Faszination und Skepsis. Technologien im Feld der (Musik-) Vermittlung
Im Anschluss an den Workshop mit Rebekka Uhlig setzen wir uns mit digitalen und nicht-digitalen „MusikmachDingen“ – Instrumenten, Software und Apparaten – auseinander und fragen nach den Herausforderungen für Vermittlerinnen durch digitale musikalische Technologien. Für die Gesprächsrunde sind Akteurinnen aus den Bereichen Musikwissenschaften, Softwareentwicklung und der Vermittlungspraxis angefragt.
Moderation: Carsten Cremer (Ethnologe und Medienwissenschaftler, Kulturagent)
Di, 8. Mai 2018, 17-20.30 Uhr: Schulbuchwerkstatt: Rassismus-kritische Perspektiven auf Schul- und Kinderbücher
Im Sommersemester 2017 widmete sich Untie to Tie gemeinsam mit dem Institut für Kunst im Kontext/ Universität der Künste Berlin in einem Seminar der kritischen (Re-)Lektüre von Schul- und Kinderbüchern. Im Dialog mit Expertinnen, in Workshops und persönlichen Recherchen setzten sich die Studierenden mit folgenden Fragen auseinander: Welche Bild- und welche Sprachpolitiken herrschen in Schul- und Kinderbüchern? Wer spricht wie über wen und was? Wie können wir uns kolonialen, rassifizierenden oder segregierenden Weisen der Darstellung bewusst werden? Und wie können wir ihnen begegnen? Welche Möglichkeiten der Kritik gibt es? Und welche Handlungsstrategien können entwickelt werden? In einem experimentellen Format aus Praxis und Reflexion laden Teilnehmerinnen des Seminars und Expertinnen das Galeriepublikum, Lehrerinnen, Schülerinnen und Vermittlerinnen ein, in einen Erfahrungsaustausch zu treten.
17-18.45 Uhr: Praxis – Künstlerischer Workshop
Teilnehmende sind eingeladen, eigene Schulbücher mitzubringen!
Um Anmeldung wird gebeten bis 4. Mai 2018 an: kunstvermittlung@ifa.de, 030 2844 9140
19-20.30 Uhr: Reflexion
Mi, 16. Mai 2018, 19 Uhr: Gallery Reflection #5 Anthropologie, Verletzbarkeit und kuratorische Praxis
Ein Gespräch zwischen Alya Sebti (Direktorin, ifa-Galerie Berlin) und Jonas Tinius (Anthropologe, HU Berlin)
Thema dieses Gesprächs zwischen Alya Sebti und Jonas Tinius ist die Institutionalisierung und Destabilisierung kuratorischer und anthropologischer Methoden. In einem abschließenden Kommentar zu der 2016 initiierten Reihe der Gallery Reflections geht es auch um die Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, einen derartigen Austausch in den Räumen der eigentlichen Institution zu entwickeln. Der im Rahmen des Programms von Untie to Tie stattfindende Dialog schlägt eine Brücke zwischen dem ersten Programmabschnitt Über koloniale Vermächtnisse und zeitgenössische Gesellschaften (2017–2018) und dem nächsten Schwerpunkt Movement.Bewegung (2018–2019), für den Jonas Tinius unter dem Titel „Alles fließt, nichts steht still“ eine Reihe von Gesprächen zu Migration und Bewegung koordinieren und moderieren wird.
Do, 17. Mai 2018, 17-20.00 Uhr: Ein Spaziergang des Ent- und Verdeckens: Körper, Stadt und Fest
Seit ihrer Neugründung 1952 durch eine Gruppe von Architektinnen, Poetinnen und Künstler*innen ist die Schule von Valparaíso als multidisziplinäres Projekt der Begegnung von Poesie, Kunst, Design und Architektur gewidmet. 1970 gründete die Gruppe 16 Kilometer nördlich von Valparaíso die Open City, einen Ort ohne institutionelle Zwänge, der durch die Einheit von Leben, Arbeit und Studium die ganzheitliche Erforschung der Beziehung zwischen Poesie und Handwerk ermöglicht.
Da die ifa-Galerie Berlin ein Programmabschnitt beendet und ein neues Kapitel zum Thema Bewegung eröffnet, möchten wir einige Traditionen der Open City weitergeben: „Begrüßungen und Verabschiedungen“ sind wichtige Prinzipien, die das kreative Umfeld der Schule von Valparaíso und ihre pädagogischen Praktiken prägen und anhand derer die Grenzen zwischen kollektivem Schaffen, Lernen, Spielen und Feiern ausgelotet werden.
In unserem Workshop gehen wir den Begriffen „dis-cover“ (ent-/aufdecken) und „under-cover“ (verdeckt/verdecken) nach, zwei Elemente, die sich dazu eignen, die Beziehungen zwischen Körper und Stadt, Gestik und Raum, Individuum und Kollektiv zu artikulieren. Wir beginnen mit einem kreativen Moment, in dem wir selbst Papierobjekte wie Masken und Kleidungsstücke herstellen, um unserem Spiel und unserem Fest eine Form zu verleihen. Dann folgt ein Spaziergang durch die Stadt als Spielplatz: Ausgestattet mit unseren Objekten streifen wir durch das nahe gelegene Viertel der ifa-Galerie Berlin und spielen mit der Ent- und Verdeckung von Stadt und Körpern. Bei einem abschließenden Umtrunk oder auch einer Agape, deren Gestaltung ganz uns überlassen bleibt, bringen wir unsere Festausstattung als Intervention in den Galerieraum ein.
Mit Daniela Salgado Cofré (Industriedesignerin) und Óscar Andrade Castro (Architekt), die zum Projekt der Open City gehören und an der School of Architecture and Design der Pontificia Universidad Católica de Valparaíso lehren.